Die 1974 in Erlangen geborene und in Nürnberg aufgewachsene Christiane Neudecker gehört zu den interessantesten und vielseitigsten Autorinnen ihrer Generation. Schon ihr erster Roman „Nirgendwo sonst“ war eine Reise ins Herz der Finsternis der Militärdiktatur in Burma. In ihrem fantastischen Erzählband „Das siamesische Klavier“ erfand die Autorin die dunkle Romantik für die Gegenwart neu. Ihr hellsichtiger Roman „Boxenstopp“ thematisierte schon Jahre vor der #metoo-Debatte, wie der mächtige Vorstandschef eines Automobilkonzerns eine Journalistin gesellschaftlich und privat fertigmacht, weil sie sich seinen sexuellen Annäherungsversuchen verweigert. Und ihre einfühlsame „Sommernovelle“ über zwei heranwachsende, umweltbewegte Mädchen auf einer Vogelstation in der Nordsee, erklomm sogar die „Spiegel“-Bestsellerliste. Pünktlich zum Poetenfest legt Christiane Neudecker nun ihr Opus Magnum vor, an dem sie mehrere Jahre gearbeitet hat.
Der Roman „Der Gott der Stadt“ führt in die Zeit des Nachwende-Berlins der frühen 90er-Jahre. Dort sollen Schauspielschüler ein unbekanntes Faust-Fragment des 1912 in der Havel ertrunkenen Dichters Georg Heym auf die Bühne bringen. Unter dem psychologischen Druck des Dozenten kommt es zum Konkurrenzkampf, zu Wahn und Manipulation unter den Studenten, bis einer von ihnen tot auf der Probebühne hängt. Aus Versatzstücken des Campus-, Kriminal- und Künstlerromans schafft Christiane Neudecker einen spannenden, mitreißenden und atmosphärisch dichten Roman über menschliche Verführbarkeit und teuflische Verlockung. Dass die Autorin Anfang der 90er-Jahre selbst Regie an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ studiert hat, kommt der Stimmung dieses mehrfach mit Stipendien ausgezeichneten Romans äußerst zugute. (D. K.)
Auszeichnungen u. a.: Wolfram-von-Eschenbach-Förderpreis (2006), Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds, August-Graf-von-Platen-Förderpreis, Förderpreis für Kunst und Wissenschaft der Stadt Nürnberg (2009), Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar, Bayern 2-Wortspiele-Preis, Aufenthaltsstipendium Villa Aurora, Los Angeles (2010), Hertha-Koenig-Förderpreis (2014), Spreewald-Literatur-Stipendium (2016).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „In der Stille ein Klang“, Erzählungen, Luchterhand, München 2005
– „Nirgendwo sonst“, Roman, Luchterhand, München 2008
– „Das siamesische Klavier. Unheimliche Geschichten“, Luchterhand, München 2010
– „Boxenstopp“, Roman, Luchterhand, München 2013
– „Sommernovelle“, Luchterhand, München 2015
– „Der Gott der Stadt“, Roman, Luchterhand, München, August 2019