Bei der österreichischen Schriftstellerin Gertraud Klemm, geboren 1971 in Wien, kann man sich sicher sein, dass sie anschreibt gegen gesellschaftlich tiefsitzende Klischee- und Rollenbilder jeder Art. Ob es um Frauen- und Männer- oder um Mutter- und Tochterrollen geht – hier meldet sich eine Autorin mit Furor, Kraft und Emphase zu Wort, in einer erfrischenden, bereinigenden Direktheit, die zur Pflichtlektüre werden sollte. In Klagenfurt sorgte Klemm 2014 mit ihrem Text „Ujjayi“ über ein Schreibaby für eine der kontroversesten Debatten in der Geschichte des Literaturpreises – ein Text, der im Roman „Aberland“ aufging, eine Suada über das „Muttiversum“ mit den vielen Pflichten und wenigen Freiheitsinseln. Gertraud Klemm nennt die Dinge beim Namen, auch im Roman „Muttergehäuse“ von 2016: Da geht es um ungewollte Kinderlosigkeit und die Adoption eines afrikanischen Jungen, vor allem aber um die Reaktionen der Umwelt, die ein Abweichen von Normen oft schwer verkraften kann.
In „Hippocampus“ nun lässt Gertraud Klemm eine Frau namens Elvira Katzenschlager mit einem sehr viel jüngeren Kameramann einen Roadtrip antreten. Über allem steht das Ziel, die Biografie einer verstorbenen Schriftstellerfreundin geradezurücken, doch dann weitet sich alles zu einem Feldzug gegen alles Mögliche aus: In bester Klemm‘scher Geisteshaltung wird hier gegen Bigotterie, Spießertum und Sexismus gewettert. (A.-D. K.
Auszeichnungen u. a.: Kulturförderpreis der Stadt Baden (2008), Hans Weigel-Literaturstipendium (2010/
11), Lise Meitner Literaturpreis (2011), Harder Literaturpreis (2012), Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, Wiener Literatur Stipendium (2014), Stadtschreiberin Klagenfurt (2015).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Höhlenfrauen“, Mille-Tre-Verlag, Wien 2006
– „Mutter auf Papier“, Prosa, Arovell, Gosau 2010
– „Herzmilch“, Roman, Droschl, Graz 2014
– „Aberland“, Roman, Droschl, Graz 2015
– „Muttergehäuse“, Roman, Kremayr & Scheriau, Wien 2016
– „Erbsenzählen“, Roman, Droschl, Graz 2017
– „Hippocampus“, Roman, Kremayr & Scheriau, Wien, August 2019