Die 1957 in Herzogenaurach geborene Ursula März, die in Erlangen ihr Abitur ablegte, gehört zu den interessantesten und wichtigsten Literaturkritikerinnen in Deutschland. Ihre Rezensionen, die u. a. in der Zeit, der Frankfurter Rundschau oder im Kursbuch erscheinen, bestechen durch ihre klug argumentierende Urteilskraft, ihren pointierten Humor und ihre Originalität. Das hat Ursula März auch als langjährige Jurorin des Klagenfurter Bachmann-Wettbewerbs bewiesen. Natürlich bespricht die Kritikerin gern deutschsprachige und internationale Gegenwartsliteratur. Sie scheut sich aber nicht, Bücher zu bewerten, die es ohne sie niemals ins Hochfeuilleton schaffen würden. In ihrer beliebten Rubrik „Vom Stapel“ widmet sie sich der Biografie von Boris Becker ebenso wie dem neuen Frauenroman Ildikó von Kürthens. Und sie tut es nicht nur, um sich über diese Bücher lustig zu machen, sondern um gerecht zu bewerten, was massenhaft gelesen wird.
Den Schritt in die Belletristik, der Kritikern oft übelgenommen wird, wagte Ursula März 2011 mit dem Erzählband „Fast schon kriminell“. Als leidenschaftliche Besucherin eines Berliner Amtsgerichts, erzählte sie von großen und kleinen Verbrechen, von kaltblütigen Betrügern und ungeschickten Mördern. Geschichten, die allesamt vom wahren Leben inspiriert wurden. Ähnlich ging Ursula März in ihrem zweiten Erzählband vor, der 2015 erschien. In „Für eine Nacht oder fürs ganze Leben“ erzählt sie fünf gelungene oder gescheiterte Liebesgeschichten, die über Datingportale zustande gekommen waren. Auch das gut recherchierte, wahre Geschichten, die sie zu Literatur verdichtet hat.
Beim Poetenfest stellt Ursula März jetzt ihren ersten Roman vor. Auch der ist keine reine Fiktion, sondern basiert auf einer realen Figur. In „Tante Martl“ geht es – sehr einfühlsam und mit leisem Humor – um die Patentante der Autorin. Martl ist die dritte Tochter eines Vaters, der nur Söhne wollte, und die das Elternhaus ihrer pfälzischen Kleinstadt niemals verlässt. Sie wird Volksschullehrerin, pflegt ihren Vater und heiratet nicht. Tante Martl war gebildet, materiell unabhängig und reiste gern, war aber auch bescheiden bis zur Selbstverleugnung, weshalb sie ihre Familienfesseln kaum lösen konnte. Ein exemplarisches Frauenschicksal der Nachkriegsgeneration und eine Hommage an eine starke, doch kaum gesehene Persönlichkeit. (D. K.)
Auszeichnungen u. a.: Preis der Casinos Austria beim Internationalen Publizistikpreis (1991), Berliner Preis für Literaturkritik (2005).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Du lebst wie im Hotel. Die Welt der Ré Soupault“, Das Wunderhorn, Heidelberg 1999
– „Leidenschaften. 99 Autorinnen der Weltliteratur”, zus. mit V. Auffermann, G. Kübler und E. Schmitter, C. Bertelsmann, München 2009
– „Fast schon kriminell. Geschichten aus dem Alltag“, Hanser, München 2011
– „Für eine Nacht oder fürs ganze Leben. Fünf Dates“, Hanser, München 2015
– „Tante Martl“, Roman, Piper, München, August 2019